Associate Fellows
Professor Gadi Algazi
Tel Aviv University, Israel
Arbeit, Haushalt und Lebensführung: Die Forma vitae der Humanisten im deutschsprachigen Raum, 1450-1630.
ist Professor für mittelalterliche Geschichte am Department of History an der Universität Tel Aviv, senior editor der Zeitschrift History & Memory und Mitglied des Herausgeberkollektivs der Zeitschriften Past & Present und Historische Anthropologie. Er studierte in Tel Aviv und Göttingen, war Mitarbeiter am Max Planck Institut für Geschichte, Göttingen, visiting fellow am Max Planck Institut für Wissenschaftsgeschichte und fellow am Wissenschaftskolleg zu Berlin. Sein Forschungsinteresse gilt besonders der Sozial- und Kulturgeschichte des späten Mittelalters und der Frühen Neuzeit, der historischen Anthroplogie, der Kolonialgeschichte und der Geschichte, Theorie und Methodologie der Sozialwissenschaften.
Am Kolleg arbeitet Gadi Algazi an seinem Buch zur Entstehung der Gelehrtenfamilie und des Gelehrtenhabitus zwischen 1450 und 1630. Hier wird versucht, der Entstehung einer partikulären Lebensweise nachzugehen – ein Prozeß, der im Falle der Gelehrten vor allem des deutsch-sprachigen Raums im 16. Jahrhundert besonders gut dokumentiert ist. Arbeits- und Familienformen, Einkommensstrukturen und Alltagsroutinen werden dabei neu figuriert. Methodisch steht das Projekt an der Schnittstelle von Wissenschafts- und Geschlechtergeschichte, der historischen Familienforschung und der Anthropologie frühmoderner Lebensweisen.
Literatur
“Forget Memory. Some Critical Remarks on Memory, Forgetting and History“. In Damnatio in Memoria. Deformation und Gegenkonstruktionen in der Geschichte, herausgegeben von Sebastian Scholz, Gerald Schwedler, und Kai-Michael Sprenger, 25–34. Köln: Böhlau, 2014.
“Middling Ages and Living Relics as Objects to Think With. Two Figures of the Historical Imagination“. In Modernity’s Classics, herausgegeben von Sarah C. Humphreys und Rudolf G. Wagner, 315–29. Berlin: Springer, 2013.
“At the Study. Notes on the Production of the Scholarly Self“. In Space and Self in Early Modern European Cultures, herausgegeben von David Warren Sabean und Malina Stefanovska, 17–50. Toronto: University of Toronto Press, 2012.
„Johannes Keplers Apologie. Wissensproduktion, Selbstdarstellung und die Geschlechterordnung“. In Wissen, maßgeschneidert. Experten und Expertenkulturen im Europa der Vormoderne [= Historischen Zeitschrift // Beihefte (Neue Folge), 57], herausgegeben von Björn Reich, Frank Rexroth, und Matthias Roick, 215–49. München: Oldenbourg, 2012.
“Bringing Kinship (Back) In“. Mediterranean Historical Review 25, Nr. 1 (2010): 83–92.
„Habitus, familia und forma vitae. Die Lebensweisen mittelalterlicher Gelehrten in muslimischen, jüdischen und christlichen Gemeinden – vergleichend betrachtet“. In Beiträge zur Kulturgeschichte der Gelehrten im späten Mittelalter, herausgegeben von Frank Rexroth, 185–217. Ostfildern: Thorbecke, 2010.
mit Valentin Groebner, und Bernhard Jussen, Hrsg. Negotiating the Gift. Pre-Modern Figurations of Exchange. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2003.
Herrengewalt und Gewalt der Herren im späten Mittelalter. Herrschaft, Gegenseitigkeit und Sprachgebrauch. Frankfurt am Main: Campus, 1996.
Zuletzt aktualisiert: 08. Februar 2016
Professor Josef Ehmer
Universität Wien, Österreich
Late to Work, Early to Retirement. The Long-Term Trends of Declining Labour Force Participation by Young and Elderly People. A Comparative Review.
lehrt Wirtschafts- und Sozialgeschichte an der Universität Wien. Zuvor war er Professor für Allgemeine Neuere Geschichte an der Universität Salzburg. Gastprofessuren führten ihn u.a. an die FU Berlin, an das European University Institute in Florenz und an die University of Cambridge. Seine Forschungen umfassen ein breites Spektrum der europäischen Sozialgeschichte von der frühen Neuzeit bis zur Gegenwart, darunter Arbeit und Arbeiter, Familie und Alter, Historische Demografie und Migrationen.
Am Kolleg versucht Josef Ehmer, zwei lange historische Trends zusammen zu denken: den immer späteren Einstieg in die Erwerbstätigkeit durch jüngere Menschen, und das immer frühere Ausscheiden aus der Arbeitswelt durch Ältere. Beide Trends sind international gut dokumentiert, aber noch nicht ausreichend erklärt, und sie wurden bisher nicht in einer vergleichenden Perspektive betrachtet. Josef Ehmer interessiert sich dabei besonders für die Wechselwirkung zwischen drei sich im 19. und 20. Jahrhundert kontinuierlich wandelnden Faktoren: den Strukturen der Arbeitsmärkte; den Präferenzen der Akteure für Arbeit und Freizeit; und den Alternativen zur Erwerbstätigkeit durch Bildungssysteme für Jüngere, Pensionssysteme für Ältere, und Familien- und Hausarbeit für Frauen.
Literatur
„Work and Workplaces“. In A Cultural History of Work in the Early Modern Age, herausgegeben von Bert de Munck und Thomas Max Safley, 3:67–87. A Cultural History of Work. London: Bloomsbury Academic, 2019.
„Altersbilder und Konzeptionen des Alter(n)s im historisch-kulturellen Vergleich“. In Alternsforschung. Handbuch für Wissenschaft und Studium, herausgegeben von Karsten Hank, Frank Schulz-Nieswandt, Michael Wagner, und Susanne Zank, 19–45. Baden-Baden: Nomos Verlag, 2019.
„Zur Geschichte des Normalarbeitsverhältnisses. Rekonstruktion und Kritik“. In Normalarbeit. Nur Vergangenheit oder auch Zukunft?, herausgegeben von Johanna Muckenhuber, Josef Hödl, und Martin Griesbacher, 21–39. Bielefeld: Transcript, 2018.
„Kontextualisierung der Lebensgeschichten. Sozial-ökonomische Entwicklung Wiens 1850–1930“. In Marie Jahoda. Lebensgeschichtliche Protokolle der arbeitenden Klassen 1850–1930. Dissertation 1932, herausgegeben von Johann Bacher, Waltraud Kannonier-Finster, und Meinrad Ziegler, 215–51. Innsbruck ; Wien ; Bozen: Studienverlag, 2017.
„Arbeitsdiskurse im deutschen Sprachraum des 15. und 16. Jahrhunderts“. In Semantiken von Arbeit. Diachrone und vergleichende Perspektiven, herausgegeben von Jörn Leonhard und Willibald Steinmetz, 93–114. Köln: Böhlau, 2016.
„Work versus Leisure. Historical Roots of the Dissociation of Work and Later Life in Twentieth-Century Europe“. In Challenges of Aging. Pensions, Retirement and Generational Justice, herausgegeben von Cornelius Torp, 135–64. Basingstoke: Palgrave Macmillan, 2015.
Zuletzt aktualisiert: 23. Januar 2020
Professor Alf Lüdtke
Universität Erfurt, Deutschland
War as Work. Young Adults in the German Wehrmacht during WWII
Im Jahr 1974 schloss Alf Lüdtke sein Magisterstudium der Geschichte, Philosophie, Soziologie und Politikwissenschaften an der Universität Tübingen ab. Seine Dissertation (über Staatsgewalt und die Polizei in Preußen zwischen 1800 bis 1850) beendete er im Jahr 1980 an der Universität Konstanz. Im Jahr 1989 legte er seine Habilitationsschrift (Studien zu Arbeit und Eigensinn) an der Universität Hannover vor. Von 1975 bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2008 war Herr Lüdtke wissenschaftlicher Referent des Max-Planck-Instituts für Geschichte in Göttingen. Im Jahr 1999 übernahm er zudem den Lehrstuhl für Historische Anthropologie an der Universität Erfurt. Nach seiner Pensionierung ernannte ihn die Universität Erfurt zum Honorarprofessor. In den frühen 1990er Jahren übernahm Alf Lüdtke die Vertretung der Professuren für Geschichte an den Universitäten in Düsseldorf (1989/90) und Greifswald (1992). Stipendien und Gastprofessuren erhielt er von der Princeton University (1981/82), der Hebrew University of Jerusalem (1992), der University of Chicago (1993/94, 2003), der University of Michigan at Ann Arbor (1993; 1997; 2007), der Université de Toulouse (2011) und der Hanyang University (Seoul, 2009 bis 2013).
Sein Vorhaben bei re:work trägt den Titel „Krieg als Arbeit. Junge Erwachsene in der deutschen Wehrmacht und bei den Alliierten während des Zweiten Weltkriegs“. Seit den 1970er Jahren wuchs das Interesse am Alltag der gemeinen Soldaten zusehends. Aktuelle Forschungen werfen neues Licht auf Krieg und Kriegsgewalt. Nicht nur im Falle der deutschen Soldaten stellen diese Untersuchungen den Einfluss von Ideologie und andere Formen der „Weltanschauung“ in Frage. Sie zeigen wie durch das tägliche Handeln Kooperation geschaffen wird oder doch zumindest die Billigung der konkreten Aufgabe durch die Betroffenen auf allen Ebenen der Hierarchie erfolgt. Sie veranschaulichen auch, wie die gewöhnlichen Soldaten Befehlen Folge leisteten, wobei es ihnen dennoch gelang sich selbst Raum zu verschaffen. Diese Perspektive ermöglicht sogar den Einblick in die Ausbildung von Männern (und Frauen) zu Menschen, die zum Töten bereit sind und das Risiko zu Sterben in Kauf nehmen. Alf Lüdtke weist darauf hin, dass bei der Ausübung des Kriegshandwerks der Stolz auf die gute Arbeitsleistung gefördert wurde, was im Umkehrschluss den Akt des Tötens „normalisierte“. Mit anderen Worten: Diese Untersuchungen zeigen das „Krieg führen“ als Arbeit.
Eine zweite Ebene betrifft die Dynamiken von Alter und Lebensverlauf der Militärangehörigen. Kampfeinheiten setzen sich meist aus jungen Erwachsenen zusammen, während die Nachhut oder die Besatzungstruppen aus Männern (und weiblichen Hilfskräften) in ihren Dreißigern, wenn nicht sogar Vierzigern bestehen (oftmals verheiratet und mit Kindern). Welcher Bedeutung wird dem Alter in diesen Fällen beigemessen? Hinzu kommt die Frage inwieweit die Überlebenden des Ersten Weltkrieges besondere Beachtung erhielten oder forderten, wenn sie in den 1930er und 1940er Jahren in den Wehrdienst traten? Und für den Fall der Deutschen: Stießen sie auf Geringschätzung, weil „sie“ 1918 geschlagen worden waren?
Alf Lüdtke hat verschiedene Themen und Felder untersucht:
1) Staat und staatliche Gewalt, aber auch die gesamte Bandbreite gewalttätigen Handelns.
2) Praxis und Erfahrung von Arbeit – sein Fokus gilt hierbei der industriellen Arbeit und den Wegen, auf denen sich Menschen eine gegebene Situation zu eigen machen, sie umformen oder aber auf ihre eigene Weise akzeptieren. In diesem Zusammenhang befasste er sich mit dem Konzept des menschlichen Eigensinns.
3) Das Visuelle hat ihn schon früh in den Bann gezogen, insbesondere das Potential der „visuellen Geschichte“ bewog ihn zu Untersuchungen der Industriefotografie und nährte sein starkes Interesse an den Wechselbeziehungen und Resonanzen zwischen Text und Bild.
4) Reichweite und Einfluss der zahlreichen Facetten des menschlichen Alltags: Alltagsgeschichte und insbesondere die Überlappung mit Ethnografie sind zentrale Elemente seiner Forschung.
5) Die Debatten um „Europa als Provinz“ (D. Chakrabarty) erregten sein Interesse, entscheidende Konzepte wie „Herrschaft“ und „Arbeit“ neu zu verorten und ihre trans- und internationalen Verläufe zu untersuchen. Ein fünfjähriger Lehrauftrag an der Hanyang University, Seoul/Korea, haben außerordentlich zu diesen Bemühungen beigetragen.
Literatur
Lüdtke, Alf, ed. 1989. Alltagsgeschichte. Zur Rekonstruktion historischer Erfahrungen und Lebensweisen. Frankfurt: Campus.
Lüdtke, Alf. , ed. 1991. Herrschaft als soziale Praxis. Historische und sozial-anthropologische Studien. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.
Lüdtke, Alf. 1993. Eigen-Sinn. Fabrikalltag, Arbeitererfahrungen und Politik vom Kaiserreich bis in den Faschismus. Hamburg: Ergebnisse Verlag.
Lüdtke, Alf. 2010. “Soldiering and Working. Almost the Same? Reviewing Practices in Industry and the Military in Twentieth-Century Contexts.” In Work in a Modern Society. The German Historical Experience in Comparative Perspective, edited by Jürgen Kocka, 109–30. New York: Berghahn Books.
Lüdtke, Alf. 2011. “Male Bodies. Well Trained Muscles or Beer Bellies? From the ‘Master Race’ in Nazism to the Ruling Class in East Germany.” In Gender Politics and Mass Dictatorship. Global Perspectives, edited by Jie-Hyun Lim and Karen Petrone, 142–68. Basingstoke: Palgrave Macmillan.
Professor Alain Supiot
Collège de France, Paris, Frankreich
Literatur
La Solidarité. Enquête sur un principe juridique, Hrsg. Paris: Odile Jacob, 2015.
mit Mireille Delmas-Marty, Hrsg. Prendre la responsabilité au sérieux. Paris: Presses universitaires de France, 2015.
Grandeur et misère de l’État social. Leçon inaugurale prononcée le jeudi 29 novembre 2012. Paris: Fayard, 2013.
„L’idée de justice sociale“. In La justice sociale saisie par les juges en Europe, herausgegeben von Laurence Burgorgue-Larsen, 4:5–30. Cahiers européens. Paris: Pedone, 2013.
„The Public-Private Relation in the Context of Today’s Refeudalization“. International Journal of Constitutional Law 11, Nr. 1 (2013): 129–45.
„Fragments d’une politique législative du travail“. Droit social, Nr. 12 (2011): 1151–61.
L’esprit de Philadelphie. La justice sociale face au Marché total. Paris: Seuil, 2010.
„Contribution à une analyse juridique de la crise économique de 2008“. Revue internationale du Travail 149, Nr. 2 (2010): 165–76.
Homo juridicus. Essai sur la fonction anthropologique du Droit. 1. Aufl. «La couleur des idées». Paris: Seuil, 2005.
Zuletzt aktualisiert: 08. Februar 2016