Fellows 2016/2017
Dr. Rukmini Barua
Universität Göttingen, Deutschland
Intimacy and Dispossession: Working Lives in the Margins of Delhi
Rukmini Barua hat vor kurzem am Centre for Modern Indian Studies der Universität Göttingen im Fach Geschichte promoviert. Zuvor studierte sie Soziologie an der Delhi School of Economics. Ihre Doktorarbeit befasst sich mit den Arbeitervierteln der Stadt Ahmedabad. Rukminis Promotion rekonstruiert die Geschichte der Industriegebiete Ahmedabads von den 1920ern bis zum Ende des 20 Jh. und nutzt dabei Archiv- und ethnographisches Material. Ihre Arbeit nimmt dabei insbesondere die lokalen politischen Praktiken, Eigentumsverhältnisse und Gewalt im städtischen Umfeld ins Visier und erzählt die Geschichte des Wandels des Arbeitsumfelds in der Stadt. Für die Feldarbeit war sie in zwei Vierteln im Osten Ahmedabads. In dem einen Viertel befanden sich früher vor allem Textilfabriken, das andere ist ein erst in jüngerer Zeit erschlossenes Gewerbegebiet. Basierend auf einem komparativen Ansatz arbeitet Barua die Alltagsdynamik zweier miteinander verbundener sozialer und räumlicher Formationen heraus.
Der rote Faden ihrer Doktorarbeit und ihrer anschließenden Forschung ist das Alltagsleben in den Arbeitervierteln Indiens. Prekäre Beschäftigungsformen, Arbeiterpolitik und Konfliktlösungen, der Wandel urbaner Räume sowie die Veränderungen bei den Eigentums- und Geschlechterverhältnissen gehören zu ihren Forschungsinteressen. Bei re:work wird Barua an einem Zeitschriftenartikel arbeiten, der die Ergebnisse ihres postdoktoralen Forschungsprojekts präsentiert. In dem Projekt hat sie sich mit der mündlichen Überlieferung und den Lebensgeschichten der Menschen in Wazirpur befasst, einem Industriegebiet im Norden Delhis.
Während der vergangenen fünfzig Jahre war Delhi Schauplatz eines enormen urbanen, industriellen und demographischen Wandels. Diesen Transformationen unterliegt ein genereller Trend hin zu verstärkter Prekarität. Mit diesem Projekt versucht Barua zu ergründen, wie sich die Lebenswelt der Erwerbsarmen Delhis gewandelt hat. Allgemein fragt sie daher nach der sozialen Verfasstheit der häuslichen Sphäre. Genauer gesagt, fragt das Projekt nach den verschiedenen Formen der Haushaltsorganisation, die entstanden, den Möglichkeiten romantischer Liebe, die Verhandlung des Ehelebens und die Bildung von Haushalten angesichts prekärer Lebensumstände.
Literatur
„The Textile Labour Association and Dadagiri. Power and Politics in the Working-Class Neighborhoods of Ahmedabad“. International Labor and Working-Class History 87 (2015): 63–91.
Zuletzt aktualisiert: 13. April 2018
Dr. Alla Bolotova
Европейский Университет в Санкт-Петербурге (Europäische Universität Sankt Petersburg), Russland
Life and Work in Single Industry Towns in the Russian Arctic
Dr. Alla Bolotova arbeitet als Forschungsstipendiatin an der anthropologischen Fakultät der Europäischen Universität Sankt Petersburg. 2014 hat sie an der Universität Lappland in Soziologie promoviert (magna cum laude). In ihrer Doktorarbeit hat sie sich mit der Wahrnehmung von und Interaktion mit der Umwelt von Menschen auseinandergesetzt, die sich während der Sowjetzeit in den neuen Industriestädten am nördlichen Rand der UdSSR ansiedelten. Hierbei rekonstruiert und analysiert sie auch die verbreitetsten Konzepte von Umwelt im offiziellen sowjetischen Diskurs. Momentan liegen ihre Forschungsschwerpunkte auf Industriesiedlungen und der Interaktion von Menschen mit ihrer Umwelt in der Arktis. Bei re:work wird Dr. Bolotova an ihrem Projekt „Life and work in single industry towns in the Russian Arctic“ (Leben und Arbeit in den monoindustriellen Städten der russischen Arktis) arbeiten. Bei diesem Projekt analysiert sie die Lebensgeschichten von Menschen in den neuen Industriestädten, die während des 20. Jh. in der russischen Arktis entstanden. Basierend auf einer gründlichen anthropologisch-historischen Studie betrachtet Alla Bolotova die Lebenserfahrungen von Menschen, die – im Kontext von Industrialisierungs- und Urbanisierungsprozessen in Russland und weltweit – seit mehreren Generationen von der Sowjet-Ära bis heute in diesen Städten leben und arbeiten.
Literatur
„Colonization of Nature in the Soviet Union. State Ideology, Public Discourse, and the Experience of Geologists“. Historical Social Research 29, Nr. 3 (2004): 104–23.
„Conquering Nature and Engaging with the Environment in the Russian Industrialised North“. PhD dissertation, University of Lapland, 2014.
„Engaging with the Environment in the Industrialized Russian North“. Suomen Antropologi: Journal of the Finnish Anthropological Society 36, Nr. 2 (2012): 28–36.
„Habitual Risk Taking in Dzerzhinsk. Daily Life in the Capital of Soviet Chemistry“. Research in Social Problems and Public Policy 14 (2007): 223–252.
„Loving and Conquering Nature. Shifting Perceptions of the Environment in the Industrialised Russian North“. Europe-Asia Studies 64, Nr. 4 (2012): 645–671.
mit Florian Stammler. „How the North Became Home. Attachment to Place among Industrial Migrants in the Murmansk Region of Russia“. In Migration in the Circumpolar North. Issues and Contexts, herausgegeben von Lee Huskey und Chris Southcott, 193–220. Alexandria, VA: CCI Press, 2010.
Zuletzt aktualisiert: 01. Oktober 2016
Professor Frank Bösch
Universität Potsdam, Deutschland
Roads to the Digital Society. Computers and the change of work and control since the 1950s
Literatur
Zeitenwende 1979. Die Welt am Beginn unserer Gegenwart. München: C.H. Beck, im Erscheinen.
Wege in die digitale Gesellschaft. Computernutzung in der Bundesrepublik 1955-1990, Hrsg. Göttingen: Wallstein Verlag, 2018.
mit Caroline Moine, und Stefanie Senger, Hrsg. Internationale Solidarität. Globales Engagement in der Bundesrepublik und der DDR. Göttingen: Wallstein Verlag, 2018.
„Arbeit, Freizeit, Schlaf. Alltagspraktiken als Perspektive der bundesdeutschen Zeitgeschichte“. In Mehr Als Eine Erzählung. Zeitgeschichtliche Perspektiven auf die Bundesrepublik, herausgegeben von Frank Bajohr, Anselm Doering-Manteuffel, Claudia Kemper, Detlef Siegfried, und Axel Schildt, 301–13. Göttingen: Wallstein, 2016.
„L’année 1979. Transformations globales et bouleversements annonciateurs“. Histoire, Économie & Société 35, Nr. 2 (2016): 77–92.
Mass Media and Historical Change. Germany in International Perspective, 1400 to the Present. Übersetzt von Freya Buechter. New York, NY: Berghahn, 2015.
„Energy Diplomacy. West Germany, the Soviet Union and the Oil Crises of the 1970s“. Historical Social Research 39, Nr. 4 (2014): 165–85.
Zuletzt aktualisiert: 24. September 2018
Dr. Naveen Chander
University of Delhi, Indien
Displaced Destinies: Transformation of Working Class Lives in Contemporary Delhi
Naveen Chander promovierte 2014 an der politologischen Fakultät der Universität Delhi. Den Schwerpunkt seiner Doktorarbeit bildete der historische und soziale Kontext von Debatten und Bewegungen in Bezug auf die Sprachenfrage in Indien mit einem besonderen Schwerpunkt auf der Hindi-Bewegung in Nordindien in der Phase vom frühen 20. Jh. bis zu den 1960er Jahren. Chanders Forschung geht dabei insbesondere auf die Kontinuitäten und Kämpfe zwischen den verschiedenen Strömungen in der Hindi-Bewegung ein, die die beiden Horizonte der Sprachbewegung ausmachen – der eine hegemonial, der andere demokratisch. Er hat auch beim Programm für indische Sprachen am Forschungszentrum für Entwicklungsgesellschaften (Centre for the Study of Developing Societies) mitgearbeitet und hier sozialwissenschaftliche Materialien auf Hindi archiviert und analysiert, von dem das meiste aus den letzten dreißig Jahren stammt, manches jedoch bis zu achtzig Jahre alt ist.
Zu den weiteren Schwerpunkten seiner Forschungstätigkeit und seines Aktivismus gehören Fragen zu urbanen Räumen und Arbeit. So hat er sich mit Migranten in Delhi befasst, die sich als Bauarbeiter verdingen und die Vertreibung von ArbeiterInnen und SlumbewohnerInnen sowie die Bedingungen von und dem Umgang mit Leiharbeit erforscht. Sozialwissenschaftlich hat sich Chander mit der Geschichte der Arbeiterklasse und ihrer Rolle bei der städtepolitischen Entwicklung in Delhi beschäftigt und nach den historischen Wurzeln von Prekarität gefragt. Als ICAS-Stipendiat erforschte er die aktuellen Lebensbedingungen der Arbeiterklasse in Delhi.
Sein Forschungsprojekt bei re:work trägt den Titel Displaced Destinies: Transformation of Work and Working Lives in Contemporary Delhi. Das Projekt wirft ein Licht auf die heutigen Lebensbedingungen der Arbeiterklasse in Delhi, indem es den Wandel der Arbeitswelt und der Arbeitsbeziehungen in der Stadt nachzeichnet. Leisten soll dies ein Fokus auf die Entstehung und Auflösung der Arbeiterviertel Sabzi Mandi-Ghantagharin Nord Delhi und Karmpura in West-Delhi anhand ethnologischer und historischer Studien dieser Orte und ihrer BewohnerInnen. Indem er die Leben der ArbeiterInnen zuallererst als in ihren Vierteln verortet betrachtet, erforscht Chander die Wurzeln des Aktivismus der Arbeiterklasse in der Stadt zu dieser Zeit, die Widerstände, denen dieser begegnete und die ihn schließlich fragmentierten. Während seines Stipendiums bei re:work wird Chander an einem wissenschaftlichen Zeitschriftenartikel arbeiten, dessen Grundlage mündliche Erzählungen und Lebensgeschichten von seinen zwei Feldstudienorten in Delhi sowie Archivmaterialien, die er während seines ICAS:MP-Projekts nach seiner Doktorarbeit gesammelt hat.
Professor Iris Därmann
Humboldt Universität zu Berlin, Deutschland
Serving. On the Cultural History of Infamy
daermann(at)culture.hu-berlin.de
Iris Därmann ist Professorin für Kulturtheorie und Kulturwissenschaftliche Ästhetik am Institut für Kulturwissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin. Sie hat Philosophie, Soziologie und Sozialpsychologie an der Ruhr-Universität in Bochum studiert, wo sie 1993 mit ihrer Arbeit „Tod und Bild“ promovierte. Ihre Habilitation erhielt sie 2003 für die Fächer Philosophie und Kulturgeschichte und -theorie mit der Arbeit „Fremde Monde der Vernunft“ ab. 2005 bis 2006 war sie Visiting Fellow am IFK, Wien und von 2007 bis 2008 Fellow am Kulturwissenschaftlichen Kolleg des Exzellenzclusters Kulturelle Grundlagen von Integration der Universität Konstanz. Im WS 2012/13 war sie Fellow am IKKM der Bauhaus-Universität Weimar. Seit 2012/13 ist sie Sprecherin der Forschergruppe „Oikonomia/Ökonomie“ im Exzellenzcluster Topoi und Projektleiterin im SFB Transformationen der Antike. Von 2012 bis 2014 war sie Mitglied der Forschungsgruppe „Piktogramme“ am Exzellenzcluster Bild Wissen Gestaltung. Seit 2016 ist sie Mitglied des Beirats der Aby-Warburg-Stiftung. Zu ihren Forschungsgebieten gehören Bildpraktiken und Bildtheorien, Schenkökonomie und politische Philosophie im Zeitalter des Kolonialismus.
Bei re:work arbeitet Iris Därmann zur Kulturgeschichte des Dienens. Die Dienstleistungsgesellschaft erhält ihr imaginäres Kapital jenseits bloßer Ökonomie aus einem beneficium servi, dem sie selbst nicht entspricht. Wie aber konnte sich aus dem seit der Antike verachteten Sklavendienst ein Ethos des Dienens entwickeln, von dem die Dienstleistungsgesellschaft bis heute parasitär zehrt? Welche Transformationen und Perversionen des Dienens haben dem ökonomischen Projekt der Dienstleistungsgesellschaft Rückhalt und Resonanz verschafft? Dafür sind die Erfindung „des servilen Menschen“ (Sloterdijk) und Reflektionen über die Existenz- und Lebensweisen im Zeichen radikaler Undienlichkeit zentral.
Literatur
„Zur Nummerntätowierung im Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau“. In Unter die Haut. Tätowierungen als Logo- und Piktogramme, herausgegeben von Iris Därmann und Thomas Macho, 231–53. Paderborn: Fink, 2017.
„‚Ein Gott als Dienstbote‘. Nietzsches Beitrag zu einer Ideen- und Kulturgeschichte der Dienstleistungsgesellschaft“. Nietzsche-Studien 44, Nr. 1 (2015): 54–66.
„Teoria sociale del dono, teoria de dono della cultura. L’Essai sur le don di Marcel Mauss“. In Rethinking Exchange. Itineraries through Economy, Sociology and Philosophy / Ripensare lo scambio. Itinerari tra economia, sociologia e filosofia [= Azimuth. Philosophical Coordinates in Modern and Contemporary Age, III (5)], herausgegeben von Federica Boungiorno und Antonio Lucci, übersetzt von Antonio Lucci, 43–62, 2015.
„Myths of Labour. Elements of an Economical Zoology“. Zeitschrift für Kultur- und Medienforschung 5, Nr. 1 (2014): 41–58.
„Zum sklavischen Charakter des Schauspielers. Diderot, Rousseau und die Gladiatur“. Archiv für Mediengeschichte, Nr. 12 (2012): 39–49.
Figuren des Politischen. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 2009.
Zuletzt aktualisiert: 01. Oktober 2016
Dr. Maria José De Abreu
Columbia University, USA
The Return of the Retornado: The Lifecycles of Oil and Labor in Portugal and Angola
Maria José de Abreu hat an der SOAS-Fakultät (School of Oriental and African Studies) der Universität London Medienanthropologie studiert und 2009 an der Universität Amsterdam in soziokultureller Anthropologie promoviert. In ihrer Arbeit beschäftigt sie sich mit anthropologischen, philosophischen und literarischen Fragen zu Zeitlichkeit, Menschsein, Arbeitswirtschaft, menschlicher Perzeption und deren technologische Erweiterungen. Derzeit arbeitet sie an zwei Projekten. Im ersten beschäftigt sie sich mit der medienbewussten religiösen Bewegung im urbanen brasilianischen Sao Paulo in deren Praktiken ein byzantinisches Imaginär wieder erblüht. Das zweite dreht sich um die Nöte portugiesischer Jugendlicher im Zuge der Finanzkrise in Südeuropa. Ihre Arbeiten wurden in Zeitschriften und Sammelbänden publiziert. Stipendien erhielt sie vom Forum für Transregionale Studien (2013–14) und dem ICI Kulturlabor Berlin (2014–2016), und sie lehrte an der Universität Amsterdam sowie am Amsterdam University College (AUC). 2017 wird sie ihre Stelle als Dozentin an der anthropologischen Fakultät der Columbia Universität in New York antreten.
In meiner Forschung setze ich mich damit auseinander, wie junge Erwachsene ihren Alltag zwischen Chancen und Improvisation strukturieren und wie sie ihre Erfahrungen werten, während sie nach (prekärer) Beschäftigung suchen, von der Gesellschaft abgewertet werden, die Beziehungen zu ihren Familien und ihrem Land durch interne (Depression) und/oder externe Migration kappen. Angesichts des ständigen Drucks sich neuen Bedingungen anzupassen, ist für viele PortugiesInnen, insbesondere der jüngeren Generation, ein Umzug nach Angola und Afrika eine der vorstellbaren Alternativen. Häufig formulieren sie diese Wahl zwischen Arbeitslosigkeit in Portugal oder Arbeit als ExpertIn in Afrika als Dilemma: Entweder sie ziehen zu ihren Eltern zurück und warten auf das Ende der Krise, oder sie ziehen nach Afrika und unterwerfen sich den Schwankungen des Ölpreises. Unausweichlich sind solche Entscheidungsprozesse von Sorgen und Ängsten genährt und führen zu Antworten, die auf Emotionen basieren und unter dem Eindruck der Macht sozialer Medien wie Blogs und Facebook, die öffentliche Meinung zu beeinflussen, verworfen bzw. verstärkt werden.
Mein Projekt bei re:work ist eine ethnologische Analyse der zeitlichen Rahmenbedingungen, denen die Arbeitsmigration junger PortugiesInnen nach Angola und aus Angola zurück nach Portugal unterliegt. Das Projekt basiert auf ethnologischen Forschungsarbeiten, die ich im Anschluss an meine Promotion im Laufe der letzten drei Jahre in wichtigen portugiesischen Städten durchgeführt habe. Die Frage im Hintergrund lautete dabei, welche Umstände inmitten der Krise – und dem damit einhergehenden Verlust klarer Perspektiven – unter einer zwar hochqualifizierten, technologisch versierten, aber arbeitslosen Jugend das Entstehen neuer Zukunftsentwürfe erlauben. Basierend auf den biographischen Erzählungen junger MigrantInnen nach oder aus Angola zeichne ich die Konstruktionsprozesse und Entstehungsmechanismen nach, die sich auf die Migrationsflüsse junger PortugiesInnen auswirken. Ausgehend von sozialwissenschaftlichen Ansätzen in der Migrationsforschung, die Migration in räumlichen Begriffen beschreiben, lege ich meinen theoretischen Fokus auf die temporalen Aspekte der heutigen Arbeitsmigration. Ich frage: Welche materielle Politik von Ressourcen, Medien, Arbeit und Einkommen beeinflussen und prägen die Temporalitäten der Migration zwischen Portugal und seiner früheren Kolonie über diese bestimmte Gruppe von ArbeiterInnen? Dabei bin ich mir sehr bewusst, wie Verschiebungen und Umstände „Traditionen neu erfinden“ können und frage, wie sich in den momentanen Migrationsflüssen und der Veränderung von Lebensumständen ältere Dynamiken in neuem Gewand zeigen, unabhängig davon, dass die heutigen Umstände sich in bedeutsamem Maße von denen früherer Zeiten unterscheiden.
Literatur
„Meso-Thinking. Design, Economy, Infrastructure in the City of São Paulo“. In Aesthetic Practices and Spatial Configurations. Historical and Transregional Perspectives, herausgegeben von Hannah Baader, Martina Becker, und Niharika Dinkar. Bielefeld: transcript, im Erscheinen.
mit Charles Hirschkind, und Carlo Caduff, Hrsg. New Media, New Publics? [= Special Issue Cultural Anthropology, 58 (S15)], 2017.
„Untowardly. Ethnographies of Lived Impasse Among Portuguese Youth“. In Errans, herausgegeben von Christoph Holzhey. Wien: Turia + Kant, im Erscheinen.
„Still Passing. Crisis, Youth and the Political Economy of Fog in Limbo“. Scapegoat, Nr. 8 (2015): 60–70.
„Technological Indeterminacy. Medium, Threat, Temporality“. Anthropological Theory 13, Nr. 3 (2013): 267–84.
„The FedEx Saints. Patrons of Mobility and Speed in a Neoliberal City“. In Things. Religion and the Question of Materiality, herausgegeben von Dick Houtman und Birgit Meyer, 321–38. New York, NY: Fordham University Press, 2012.
Zuletzt aktualisiert: 17. Februar 2017
Professor Chitra Joshi
University of Delhi, Indien
Work, Body and Time: Understanding Labour Regimes Beyond the Factory
Nachdem sie ihr Aufbaustudium und ihren Doktor an der Jawaharlal Nehru Universität in Neu Delhi abgeschlossen hat, war Chitra Joshi Stipendiatin am Zentrum für Zeitgeschichte, Nehru Memorial Museum and Library, in Neu-Delhi. Zuletzt hat sie mehrere Jahre Geschichte an der Indraprastha-Universität Delhi gelehrt und zu den unterschiedlichen Facetten der Arbeit in Indien geforscht. Ihr Buch Lost Worlds: Indian Labour and its Forgotten Histories (Neu-Delhi: Permanent Black, 2003; London: Anthem, 2005) behandelt den gegenwärtigen Kontext der Globalisierung und den Niedergang der Großindustrie als Eintrittspunkt in die Arbeitswelt des späten 19. und 20. Jahrhunderts. Sie untersucht wie die kulturelle Vergangenheit durch Praktiken von ArbeiterInnen aktiv rekonstruiert wurde. Weitere wichtige Publikationen sind: Deindustrialisation and the Crisis of Male Identities, in: International Review of Social History, 2002, und Notes on The Breadwinner Debate: Gender and Household Strategies in Working Class Families, Studies in History, 2002, Fettered Bodies: Labouring in Public Works in Nineteenth-Century India, in: Marcel van der Linden und Prabhu Mohapatra (Hrsg.) Labour Matters: Towards Global Histories (Neu-Delhi 2009); Dak Roads, Runners and the Re-Ordering of Communications Networks, in: International Review of Social History 57:3, 2012. Derzeit arbeitet Joshi an den Geschichten der Arbeit fernab der Fabriken und verfolgt die Lebensgeschichten von Menschen, die Straßen und Kommunikationsnetzwerke aufgebaut haben, das heißt Gefangene, Träger, Postträger oder Sänftenträger im Indien des 19. Jahrhunderts.
Bei re:work arbeitet sie an dem Projekt „Arbeit, Körper und Zeit: ein Verständnis von Arbeitsregimen fernab der Fabrik“. Mit diesem Projekt möchte Joshi scheinbar unsichtbare und unbedeutende Aspekte der Geschichte der Arbeit beleuchten, die beim Aufbau von Kommunikationsnetzwerken eine Rolle spielen. Diese Forschung soll dem Verständnis der komplizierten Prozesse dienen, mit denen das Kapital und Arbeit als globales Phänomen in Erscheinung treten.
Literatur
„Dak Roads, Dak Runners, and the Reordering of Communication Networks“. International Review of Social History 57, Nr. 2 (2012): 169–189.
„Fettered Bodies. Labouring in Public Works in Nineteenth-Century India“. In Labour Matters. Towards Global Histories. Studies in Honour of Sabyasachi Bhattacharya, herausgegeben von Marcel van der Linden und Prabhu P. Mohapatra, 3–21. New Delhi: Tulika Books, 2009.
Lost Worlds. Indian Labour and Its Forgotten Histories. New Delhi: Permanent Black, 2003 (London: Anthem, 2005).
„Notes on the Breadwinner Debate. Gender and Household Strategies in Working-Class Families“. Studies in History 18, Nr. 2 (2002): 261–74.
„On and the Crisis of Male Identities“. International Review of Social History 47, Nr. S10 (2002): 159–175.
Zuletzt aktualisiert: 01. Oktober 2016
Professor Lamia Karim
University of Oregon, Eugene, OR, USA
Becoming Labor: Life Cycles of Female Garment Workers in Bangladesh
Lamia Karim ist seit 2003 an der Universität Oregon (USA) Dozentin für Anthropologie. Ihr Interesse gilt der politischen Anthropologie mit Bangladesch (Südasien) als Forschungsgebiet. Dr. Karim ist Autorin des viel gepriesenen Buchs Microfinance and Its Discontents: Women in Debt in Bangladesh (2011), welches die Wirkung des Handelns von NGOs aus dem Mikrofinanzsektor – darunter auch die Grameen Bank, die 2006 den Nobelpreis bekam – auf das Leben armer Frauen kritisch untersucht. Das Buch wurde ins Koreanische übersetzt (Maybooks 2015). Ihr Forschungsinteresse gilt Frauen, Entwicklung, dem neoliberalen Staat, religiösem Nationalismus, Arbeit und sozialen Bewegungen.
Bei re:work wird sie am Manuskript für ihr neues Buch Becoming Labor (Arbeiterin werden) arbeiten. Hierin untersucht sie, wie die Arbeit in industriellen Betrieben die Lebensläufe von Frauen aus ländlichen Gebieten in Bereichen wie Sexualität, Ehe, Familienleben, Reproduktion, Gesundheit, religiöse Überzeugungen, Autonomie und politisches Bewusstsein wandelt. Ihr Ziel ist eine komparative Analyse der Bedingungen, unter denen sich unter Industriearbeiterinnen in Südasien eine politisierte und ambitionierte Subjektivität entwickelt.
Mit ihrem Fokus auf Frauen leistet sie Pionierarbeit und hat dafür verschiedene wichtige Auszeichnungen und Stipendien erhalten, unter anderem von der National Science Foundation, der Harry Frank Guggenheim Foundation, dem Fulbright Fellows Program und der Wenner-Gren Foundation for Anthropological Research. Zuvor hatte sie bereits zwei Rockefeller Postdoc-Stipendien erhalten, eines am Kroc Institute der University of Notre Dame und ein weiteres im Fachbereich Frauenstudien an der Universität von Hawaii-Manoa (2002).
2016–17 wird sie als Fellow am Institut Work and Human Lifecycle in Global History an der Humboldt Universität in Berlin (re:work) arbeiten.
Literatur
„Resistance and Its Pitfalls. Analyzing NGO and Civil Society Politics in Bangladesh“. In The SAGE Handbook of Resistance, herausgegeben von David Courpasson und Steven Vallas, 461–75. Thousand Oaks, CA: SAGE, 2016.
„Disposable Bodies. Garment Factory Catastrophe and Feminist Practices in Bangladesh“. Anthropology Now 6, Nr. 1 (2014): 52–63.
„NGOs, State and Neoliberal Development in South Asia. The Paradigmatic Case of Bangladesh“. In Routledge Handbook of Gender in South Asia, herausgegeben von Leela Fernandes, 260–74. London: Routledge, 2014.
„Transnational Politics of Reading and the (Un)Making of Taslima Nasreen“. In South Asian Feminisms. Contemporary Interventions, herausgegeben von Ania Loomba und Ritty A. Lukose, 205–23. Durham, NC: Duke University Press, 2012.
Microfinance and Its Discontents. Women in Debt in Bangladesh. Minneapolis, MN: University of Minnesota Press, 2011.
„Demystifying Micro-Credit. The Grameen Bank, NGOs, and Neoliberalism in Bangladesh“. Cultural Dynamics 20, Nr. 1 (2008): 5–29.
Zuletzt aktualisiert: 19. Oktober 2016
Professor Alex Lichtenstein
Indiana University, Bloomington, IN, USA
Making Apartheid Work: Industrial Relations, Black Workers, and the South African State, 1948-1994
Alex Lichtenstein lehrt als Professor für Geschichte an der Universität Indiana in Bloomington nordamerikanische und südafrikanische Geschichte. Im Zentrum seiner Forschung steht die Arbeitsgeschichte, wo sie mit dem Kampf gegen rassistische Benachteiligung in Gesellschaften überlappt, die auf der Vorstellung der Überlegenheit von Weißen gründen, insbesondere im Süden der USA (1895–1954) sowie in Südafrika im 20. Jh. Sein erstes Buch Twice the Work of Free Labor untersucht die Rolle, die das Verpachten von Strafgefangenen und die Arbeit von Chain Gangs für den Wideraufbau der Südstaaten in den ersten fünfzig Jahren nach dem amerikanischen Bürgerkrieg hatten. Er hat ausgiebig über die Beziehungen zwischen Schwarzen und Weißen in der Arbeiterbewegung, über radikale, gemischt schwarze und weiße Bewegungen auf dem Land, frühe Bürgerrechtskämpfe und die Auswirkungen des Antikommunismus auf die Arbeiter- und Bürgerrechtsbewegungen geschrieben sowie komparative Studien zur Geschichte der USA und Südafrikas verfasst.
Sein Projekt bei re:work bildet die Grundlage für ein Buch zu Arbeiterorganisierung und dem Staat in Südafrika unter der Apartheid mit dem Arbeitstitel Making Apartheid Work: Industrial Relations and the South African State, 1948–1994. In dieser Arbeit untersucht er, wie afrikanische FabrikarbeiterInnen während der Apartheid die kleinen Zugeständnisse, die ihnen ihre ArbeitgeberInnen und der Staat gewährten, zum Aufbau von Netzwerken auf Betriebsebene nutzten, die später die Basis für Kämpfe gegen die Apartheid auf Fabrikebene bilden sollten.
Literartur
„“We Feel That Our Strength Is on the Factory Floor”: Dualism, Shop-Floor Power, and Labor Law Reform in Late Apartheid South Africa“. Labor History 60, Nr. 6 (2019): 606–25.
mit Rick Halpern. Margaret Bourke-White and the Dawn of Apartheid. Bloomington, IN: Indiana University Press, 2016.
„Harold Wolpe and the Labour Question“. Social Dynamics. A Journal of African Studies 41, Nr. 3 (2015): 597–601.
„‚A Measure of Democracy‘. Works Committees, Black Workers, and Industrial Citizenship in South Africa, 1973 - 1980“. South African Historical Journal 67, Nr. 2 (2015): 113–38.
„The Other Civil Rights Movement and the Problem of Southern Exceptionalism“. Journal of The Historical Society 11, Nr. 3 (2011): 351–76.
„Making Apartheid Work. African Trade Unions and the 1953 Native Labour (Settlement of Disputes) Act in South Africa“. The Journal of African History 46, Nr. 2 (2005): 293–314.
„‘The Hope for White and Black’? Race, Labour and the State in South Africa and the United States, 1924–1956“. Journal of Southern African Studies 30, Nr. 1 (2004): 133–53.
Twice the Work of Free Labor. The Political Economy of Convict Labor in the New South. London: Verso, 1996.
Zuletzt aktualisiert: 22. Januar 2020
Professor Juan Manuel Palacio
Universidad Nacional de San Martín, Buenos Aires, Argentinien
The Rise of Labour Courts and the Transformation of Workers´ Experiences with Legal Order in Latin America, Argentina, 1940-1970
Juan Manuel Palacio ist Professor für lateinamerikanische Geschichte des 20. Jh. an der Universität San Martín in Buenos Aires und Forscher beim nationalen Forschungsrat Argentiniens, CONICET. Er promovierte im Jahr 2000 in moderner lateinamerikanischer Geschichte an der Universität Kalifornien in Berkeley. Er war Humboldt-Stipendiat am Ibero-Amerikanischen Institut in Berlin und Gastdozent bei desigualdades.net in Berlin sowie am Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte in Frankfurt (a.M.). Seine Forschungsschwerpunkte liegen auf der modernen Geschichte des ländlichen Raums in Lateinamerika und der Rechts- und Justizgeschichte der Gegenwart in Argentinien und Lateinamerika. Sein derzeitiger Schwerpunkt liegt auf der Schnittstelle von Arbeits- und Rechtsgeschichte in der Frühzeit des Peronismus in Argentinien (1943–1955) und dabei insbesondere auf der Justizpolitik Juan Peróns.
Bei re:work erforscht er den Aufstieg der Arbeitsgerichte in Lateinamerika im Kontext des aufkommenden „Sozialstaats“ während der ersten Hälfte des 20. Jh. und legt seinen Fokus dabei insbesondere auf Argentinien. Seine Studie fragt insbesondere nach den Auswirkungen des neuen Arbeitsrechts und der neuen Gerichte auf das Alltagsleben der ArbeiterInnen. Seiner These zufolge hatte die Entwicklung der neuen Gerichte dauerhafte Auswirkungen auf die Erfahrungen, die ArbeiterInnen mit dem Gesetz und staatlichen Institutionen machten, und war entscheidend für die Integration eines Rechtsdiskurses in der Alltagssprache und der Identität von ArbeiterInnen.
Literatur
„The ‘Estatuto Del Peón’. A Revolution for the Rights of Rural Workers in Argentina?“ Journal of Latin American Studies, 19. November 2018, 1–28.
mit Leon Fink, Hrsg. Labor Justice Across the Americas. Urbana: University of Illinois Press, 2018.
„El grito en el cielo. La polémica gestación de los tribunales del trabajo en la Argentina“. Estudios Sociales 48, Nr. 1 (2015): 59–90.
„El peronismo y la invención de la justicia del trabajo en la Argentina“. Nuevo Mundo Mundos Nuevos. La primera revista evolutiva en la Web americanista, 2013.
„Ley y justicia en el primer “Estado populista”. Algunas hipótesis para el estudio comparado de México, Brasil y Argentina“. In Cultura, sociedad y democracia en América Latina. Aportes para un debate interdisciplinario, herausgegeben von Klaus Bodemer, 161–86. Madrid: Iberoamericana, 2012.
La paz del trigo. Cultura legal y sociedad local en le desarrollo agropecuario pampeano, 1890-1945. Buenos Aires: Edhasa, 2004.
„Judges, Lawyers, and Farmers. Uses of Justice and the Circulation of Law in Rural Buenos Aires, 1900-1940“. In Crime and Punishment in Latin America. Law and Society Since Late Colonial Times, herausgegeben von Ricardo Donato Salvatore, Carlos Aguirre, und Gilbert M. Joseph, 83–112. Durham, NC: Duke University Press, 2001.
Professor Seth Rockman
Brown University, Providence, RI, USA
Plantation Goods and the National Economy of Slavery in the Industrializing United States
Seth Rockman ist Dozent für Geschichte an der Universität Brown in Providence, Rhode Island (USA). Rockman promovierte 1999 an der Universität California-Davis, lehrte mehrere Jahre am Occidental College in Los Angeles und kam anschließend 2004 an die Fakultät nach Brown. Im Zentrum seiner Forschung stehen die USA in der Zeit zwischen der amerikanischen Revolution und dem amerikanischen Bürgerkrieg mit einem besonderen Fokus auf Arbeitsgeschichte, Sklaverei und der Geschichte des Kapitalismus. Rockman ist Berater am Zentrum für die Erforschung von Sklaverei und Justiz an der Universität Brown. Jüngst hielt er gewählte Positionen in der amerikanischen Historikervereinigung (Organization of American Historians) sowie der Gesellschaft zur Erforschung der frühen amerikanischen Republik (Society of Historians of the Early American Republic). Im Mai 2016 hielt er den Einführungsvortrag zur Konferenz „Free and Unfree Labor in Atlantic and Indian Ocean Port Cities, c.1700–1850“ an der Universität Pittsburgh.
Bei re:work wird Rockman ein Buch für den Verlag University of Chicago Press zu „Plantagenbedarf“ verfassen – die Hacken, Hüte, Schaufeln, Schuhe und Kleidung, die in Neuengland für die Sklavenplantagen in den amerikanischen Südstaaten gefertigt wurden. Er entlehnt Methoden aus der materialen Kulturforschung und greift diese zum Studium von Arbeitsgeschichte und Sklaverei auf. Auf diese Weise erforscht Rockman die Herstellung und den Gebrauch von Alltagsgegenständen durch geographisch getrennte ArbeiterInnen, deren Leben und Auskommen selten in Zusammenhang betrachtet werden. Indem er den Weg einer Decke oder eines Hemdes aus einer Fabrik im Norden auf eine Plantage in den Südstaaten nachzeichnet, führt er die Geschichte von LohnarbeiterInnen und SklavInnen in einem einzigen Narrativ amerikanischer Geschichte zusammen. „Neger-Stoff“ (negro cloth) und andere Produkte waren Konvergenzpunkte für konkurrierende Formen von Expertise und Ehrgeiz, führten zu unterschiedlichen politischen Möglichkeiten für diejenigen, die sie herstellten, und die, die sie trugen. Zu einem grundlegenden Zeitpunkt in der Geschichte des amerikanischen Kapitalismus wird damit ein gemeinsamer Bezugsrahmen gespannt für die Plantage und die Manufaktur.
Literatur
„Paper Technologies of Capitalism“. Technology & Culture, im Erscheinen.
mit Sven Beckert, Hrsg. Slavery’s Capitalism. A New History of American Economic Development. Philadelphia, PA: University of Pennsylvania Press, 2016.
„What Makes the History of Capitalism Newsworthy?“ Journal of the Early Republic 34, Nr. 3 (2014): 439–66.
Scraping By. Wage Labor, Slavery, and Survival in Early Baltimore. Baltimore, MD: Johns Hopkins University Press, 2009.
„The Contours of Class in the Early Republic City“. Labor. Studies in Working Class History of the Americas 1, Nr. 4 (2004): 91–107.
Welfare Reform in the Early Republic. A Brief History with Documents. Boston, MA: Bedford/St. Martin’s, 2003.
Zuletzt aktualisiert: 01. Oktober 2016
Professor Susan Zimmermann
Central European University, Budapest, Ungarn
Women and Trade Unions in Europe and Internationally, 1920s to 1980s
Susan Zimmermann arbeitet als Professorin an der Central European University (CEU, Fakultät für Geschichte und Fakultät für Gender Studies). Im akademischen Jahr 2002/03 war sie Stipendiatin am Wissenschaftskolleg zu Berlin. Seit 2014 ist sie Präsidentin der Internationalen Tagung der HistorikerInnen der Arbeit und anderer sozialer Bewegungen (ITH). Bei der CEU leitet sie gemeinsam mit Marsha Siefert die Forschungsinitiative Labor History for the 21st Century in a Global Perspective. Ziel ist die Stimulation der Arbeitsgeschichtsforschung in Großraum Osteuropa und einen Beitrag zur konzeptionellen Fassung aktueller akademischer Debatten zu einer transeuropäischen und globalen Arbeitsgeschichte zu leisten. Ihre derzeitige Forschungsarbeit zur internationalen Arbeitspolitik der ILO in der Zeit zwischen den Weltkriegen fragt danach, wie die Politik einer Emanzipation und Unterdrückung von Frauen auf der einen Seite und progressiver Klassenpolitik sowie Politiken zur Verbesserung der Position „ursprünglicher“ Arbeiter auf der anderen Seite, sich in einer asymmetrischen, transnationalen Arbeitspolitik vermengten.
In ihrer Arbeit bei re:work untersucht sie die Geschichte von Frauen in sozialistischen und kommunistischen Gewerkschaften und die gewerkschaftliche Geschlechterpolitik des kurzen 20. Jh. aus komparativer Perspektive. Ihr Fokus liegt auf der Arbeit des Frauenausschusses der Amsterdamer Internationale (Women’s Committee of the International Federation of Trade Unions) zwischen den Weltkriegen, dem Aktivismus im Namen arbeitender Frauen und der internationalen Vernetzung im Rahmen des Gewerkschaftsdachverbands im sozialistischen Ungarn (Szakszervezetek Országos Szövetsége). Gewerkschafterinnen, die sich an einer Verschmelzung progressiver Arbeits- und Geschlechterpolitiken versuchten, kämpften häufig mit ihrer „schwierigen“ Position in stark männlich geprägten Organisationskontexten. Als Mitglieder von Organisationen, die häufig den Aufbau einer Kernarbeiterschaft privilegierten und förderten, standen diese Frauen für einen marginalisierten und besonders ausgebeuteten Teil der Arbeiterschaft, dessen Interessen sie fördern wollten. Gleichzeitig erwiesen sich Gewerkschaften häufig als Instrument zur Kontrolle radikalerer ArbeiterInnen und ihres Widerstands. Das Projekt erforscht wie Gewerkschafterinnen ihre Spielräume nutzten bzw. auszuweiten oder zu verändern suchten. Durch den Fokus auf arbeitende Frauen und Gewerkschaftspolitik in unterschiedlichen politischen und wirtschaftlichen Systemen wird versucht, inklusivere und reflektiertere Konzepte von Arbeitsgeschichte zu entwickeln.
Literatur
Internationale Arbeitsstandards, Frauenarbeit, und ungleiche Entwicklung. Die ILO, die Internationalistinnen, und der Aufstieg globaler Geschlechterpolitik in den 1920er und 1930er Jahren. Wien: Löcker Verlag, im Erscheinen.
Labour Histories Revisited/L’histoire ouvrière revisitée [= DOSSIER in: European Review of History / Revue européenne d’histoire, 25 (01)], 2018.
mit Eileen Boris, und Dorothea Hoehtker, Hrsg. Women’s ILO. Transnational Networks, Global Labour Standards, and Gender Equity, 1919 to Present. Leiden: Brill, 2018.
„The Agrarian Working Class Put Somewhat Centre Stage. An Often Neglected Group of Workers in the Historiography of Labour in State-Socialist Hungary“. European Review of History / Revue européenne d’histoire 25, Nr. 1 (2018): 79–100.
„Night Work for White Women, Bonded Labour for ‘Native’ Women? Contentious Traditions and the Globalization of Gender-Specific Labour Protection and Legal Equality Politics, 1926 to 1939“. In New Perspectives on European Women’s Legal History, herausgegeben von Sara L. Kimble und Marion Röwekamp, 394–442. New York, NY: Routledge, 2016.
„The International Labour Organization, Transnational Women’s Networks, and the Question of Unpaid Work in the Interwar World“. In Women in Transnational History. Connecting the Local and the Global, herausgegeben von Clare Midgley, Alison Twells, und Julie Carlier, 33–53. Abingdon, Oxon: Routledge, 2016.
Divide, Provide, and Rule. An Integrative History of Poverty Policy, Social Policy, and Social Reform in Hungary Under the Habsburg Monarchy. Budapest: Central European University Press, 2011.
„The Long-Term Trajectory of Antislavery in International Politics. From the Expansion of the European International System to Unequal International Development“. In Humanitarian Intervention and Changing Labor Relations. The Long-Term Consequences of the Abolition of the Slave Trade, herausgegeben von Marcel van der Linden, 431–96. Leiden: Brill, 2011.
Grenzüberschreitungen. Internationale Netzwerke, Organisationen, Bewegungen und die Politik der globalen Ungleichheit vom 17. bis zum 21. Jahrhundert. Wien: Mandelbaum, 2010.
Zuletzt aktualisiert: 02. August 2018